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von Kai "the spy" » Mo 8. Feb 2010, 14:42
Das Problem bei dieser "Scripted Reality" (ja, diese gestellten Doku-Soaps haben schon ein eigenes Subgenre) ist, dass da fiktive und ziemlich haarsträubende Geschichten dargestellt werden, als sei es real. Eine große Gruppe der Zuschauer wird gar nicht wissen, dass das gestellt ist und so glauben, Hartz IV-Empfänger, Ausländer und andere Gruppen wären tatsächlich so, wie in diesen Sendungen dargestellt.
Gleichzeitig wird die Fantasie und Kreativität im deutschen Fernsehen nicht gerade groß geschrieben, man lässt sie geradezu verkümmern. Hier sehe ich auch ein Gefahrenpotential für die Gesellschaft an sich, da den Zuschauern geradezu jegliche Fantasie ausgetrieben wird, bis sie sich gar nicht mehr mit fantasievolleren Sendungen auseinandersetzen können. Mit der Fantasie geht aber auch die Kritikfähigkeit flöten, denn dann wird der reale Status quo als alternativlos angesehen.
Was die ÖRs angeht, so ist die Programmvielfalt im Mindeststandard eigentlich schon mit drin. Was mich aber am meisten stört, ist dass die ÖRs das Programm der Privaten imitieren. Das ist völlig kontraproduktiv und geht gegen die Programmvielfalt. Die ÖRs sollten eher Sendungen produzieren (oder ausländische Sendungen ausstrahlen), die zwar durchaus ihr Publikum haben, auf den Privaten aber wegen schwachen Quoten keine Chance haben, sich zu etablieren.
"Doctor Who" wäre ein klassisches Beispiel. Die ersten beiden Staffeln der neuen Serie wurden von Pro7 ziemlich stiefmütterlich behandelt. Man hat die Rechte gekauft und dann erstmal ein paar Jahre verstreichen lassen. Erst, als die deutschen Fans Druck gemacht haben, wurde die Serie schließlich ins Programm genommen, Samstagnachmittags, und so gut wie nicht beworben. Nach drei Doppelfolgen wurde die Serie mitten in der ersten Staffel abgesetzt und man verwies auf schlechte Quoten. Die Fans machten aber weiter Druck, und so wurde die Serie nach einigen Monaten wieder aufgenommen, diesmal Sonntagnachmittags. Die Quoten wurden sogar etwas besser, aber am Ende der zweiten Staffel verwies Pro7 wieder auf "schlechte Quoten" und weigerte sich, die Serie fortzusetzen. Seitdem harrt die Serie in Deutschland ihrer Fortsetzung. Die beiden DVD-Boxen, die auf deutsch erschienen sind, haben sich gut verkauft und die UK-DVDs um DW gehören bei Amazon und Co. zu den gefragtesten Import-DVDs.
Man merkt, es gibt ein großes Interesse an DW, aber die Fangemeinde ist nicht groß genug, um Quoten zur Zufriedenheit von Pro7 (ein Sender, der die Serie offensichtlich nicht mochte und von dem schließlich herauskam, dass er die Serie kaufte, um zu verhindern, dass sie auf einem anderen Sender womöglich zum Hit würde) einzufahren. Hier wären die ÖRs gefragt.
Das DW-Spin-off "Torchwood" wurde bei RTL II am Mittwochabend inmitten anderer etablierter Genre-Serien und mit ordentlich PR zu einem sehr großen Quotenhit.