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Der zweite Galaktische Krieg
Teil 1: Der Himmel voller Sterne
von Kai Brauns
Er wandte sich um und trat auf den schmalen Steg, der über eine Ausbuchtung führte, in der mehrere Leute an ihren Terminals arbeiteten.
An jenem Morgen war der Abzug von dreien der fünf Raumschiffe, die sonst um die Good Hope stationiert waren, befohlen worden. Soeben war das letzte, die Bradbury, abgeflogen. Zurück blieben die Roddenberry und die Straczynski.
Stewart ließ sich auf seinen Sessel in der Mitte der Kommandozentrale fallen. Dieser Sessel lag auch über der Mitte der Einbuchtung. Er befand sich im Zentrum eines Kreuzsteges, der über die Einbuchtung führte.
„Gibt es etwas neues vom Krieg im Orion?“ fragte er gelangweilt.
„Es heißt, die Hildar hätten ein Nest von Widerständlern auf Orion 6 entdeckt,“ rief Lieutenant Christian von ihrem Terminal auf der rechten Seite der Zentrale aus.
„Ich frage mich, was noch nötig ist, um den Senat endlich zum Eingreifen zu bewegen!“
Stewart bedachte die junge Frau mit besorgtem Blick. Die junge Offizierin hatte offensichtlich noch nicht viel Kampferfahrung. Doch Stewart erinnerte sich noch allzu gut an den Galaktischen Krieg. Er erinnerte sich an den Feind, und der Himmel war voller Sterne, und jeder Stern war ein zerstörtes Schiff. Nein, Captain Stewart hatte nicht das Verlangen, erneut in den Krieg zu ziehen.
Im Orion-System herrschte Krieg. Die Hildar von Orion 4 waren vor einigen Jahren unter dem Diktator Er’Kar auf Tramaris eingefallen. Systematisch brachte die Hildar, mit Hilfe der Heeldar von Orion 7, die auf ihnen lebenden Iliar um. Er’Kar träumte anscheinend von der großen galaktischen Herrschaft der Hildar. Bisher begrenzte sich der Krieg auf Orion und die Nachbar-systeme Tramaris und Da’Mehr.
Es war der 7. Dezember 2151. Im Proxima-System war alles ruhig. Auf Good Hope war es früher Morgen. Stewart glaubte, dass es ein recht ereignisloser Tag werden würde. Er war gerade auf dem Weg zum Replikator, um sich eine Tasse Kaffee zu replizieren, als der Alarm losging. Hastig lief er zum Sichtfenster. Ein Hyperraumsprungtor erschien aus dem Nichts. Und aus diesem Sprungtor flogen zwei große Kampfschiffe, länglich, mit einem großen Schild an der Vorderseite und einem weiteren über dem Heck. Es waren Schiffe der Heeldar. Er wandte sich um und rief: „Roter Alarm, schickt die Piloten zu den Jägern! Und geben Sie mir einen Kontakt zu unseren Schiffen!“
Die Mannschaft reagierte sofort. Der strategische Offizier gab die Nachricht zu den Piloten, der Kommunikationsoffizier sorgte für eine telepathische Funkverbindung mit den Kommandanten der beiden Zerstörer der Space Force. „Verbindung steht,“ rief er seinem Captain zu.
Stewart strich leicht über seinen Telepathen, der an seiner rechten Schläfe klebte. Die Technologie, die bestimmte Gehirnwellenmuster in Funksignale verwandelte und absendete, war ihnen vor knapp 60 Jahren von den Hildor von Orion 4 überbracht worden. Nun konnte Stewart die angespannten Gesichter der Captains Clark von der Roddenberry und Santiago von der Straczynski sehen, obwohl seine Augen nichts dergleichen erfassten.
„Wir sind auf roten Alarm gegangen,“ sagte Clark. „Unsere Jäger sind bereits auf dem Weg nach draußen.“
„Bei uns sieht es genauso aus,“ berichtete Santiago. „Wir werden den fremden Schiffen nun entgegen fliegen, die Roddenberry sollte zurückbleiben. Wenn die Heeldar uns feindlich gesinnt sind, werden wir das merken.“
„In Ordnung,“ antwortete Stewart, ohne wirklich zu sprechen. Seine Gedanken wurden direkt übertragen. „Eröffnen Sie das Feuer nicht als Erster, wir haben nicht die Absicht, uns in den Krieg einzumischen!“
„Verstanden,“ bestätigte Santiago. „Wir versuchen erst, Kontakt zu ihnen herzustellen.“
Draußen in der Nacht jagte die Straczynski der Gruppe der Heeldar entgegen. Als der Abstand nur noch 2000 Kilometer betrug, fingen die Heeldar an, zu feuern. Aus den Hangars an den Seiten der Schiffe wurden insgesamt 56 Jäger ausgesandt. Die Straczynski war mit jedem neuen Schuss von einem Leuchten umgeben, dass ihren Schutzschild andeutete.
„Gegenfeuer,“ rief Santiago seinem strategischen Offizier entgegen. Dieser gab den Befehl weiter an die Kanoniere, die über das Schiff verstreut ihre Laser-batterien auf die feindlichen Schiffe richteten. Energieblitze flogen zwischen den Raumschiffen hin und her.
Santiago beobachtete das gegenseitige Abschlachten mit Angst. Er wußte kaum, was zu tun war, die Terran Alliance hatte seit dem Galaktischen Krieg nicht mehr an Schlachten teilgenommen. Ihre schlimmsten Feinde waren seit Jahren kleine Piratengruppen. Er krallte sich an den Armlehnen seines Sessels fest. Schließlich fasste er einen Entschluss. „Lenkt das Feuer auf den Heeldar auf Koordinaten 99/4/21! Unsere Jäger sollen uns die feindlichen Flieger vom Hals halten!“ Dann suchte er erneut den telepathischen Kontakt zu den beiden anderen Kommandanten. „Clark, bewegen Sie Ihren Arsch hierher! Wir kümmern uns um den...“
Weiter kam er nicht. Einer der dolchförmigen Jäger der Heeldar hatte sich auf eine Stelle des Schutzschildes konzentriert und hatte schließlich eine Lücke schießen können. Dort war er hindurch geflogen und feuerte nun auf die Außenhülle des Schiffes. Bald kam er nahe an die Brücke der Straczynski. Er beschleunigte und rammte durch die Schiffshülle. Die Brücke des Zerstörers ging in einer großen Explosion unter. Das Schiff trudelte. Die Steuerung war völlig außer Kontrolle. Das beschädigte Schiff kam einem der beiden heeldarischen Zerstörer gefährlich nahe. Man konnte noch beobachten, wie die Heeldar auszuweichen versuchten. Doch es war zu spät. Die Straczynski rammte gegen die Außenhülle des feindlichen Schiffes.
„Oh, mein Gott,“ stieß Stewart aus, als er die gigantische Explosion beobachtete. Er wandte sich um, als die Explosion zu hell wurde. Als das Vakuum des Raumes das Flammenmeer gelöscht hatte, sah er wieder zum Sichtfenster hinaus. Das Schiff der Heeldar driftete noch einige Augenblicke. Dort, wo die Straczynski eingeschlagen war, klaffte nun ein so großes Leck, dass es fast die ganze Seite des Schiffes aufgerissen hatte. Der Reaktor war wohl betroffen, da der Zerstörer nach wenigen Augenblicken von Explosionen geschüttelt wurde, bis schließlich das ganze Schiff vernichtet war.
Die Space Force Jäger schwirrten durch den Raum und holten in ihrer Verzweiflung einige der feindlichen Kleinschiffe vom Feld. Der verbliebene Jäger der Heeldar nahm nun Kurs auf Good Hope.
„Sir, Verstärkung wird erst in vier Stunden eintreffen!“
„Wir haben keine vier Stunden mehr,“ rief Captain Clark.
„Das feindliche Schiff wird bereits in fünf Minuten hier sein!“ Er dachte angestrengt nach. „Verdammt, ich sehe keinen Ausweg!“
Stewart beobachtete das näherkommende Schiff. Die Good Hope war als Raumstation nicht gut genug bewaffnet, um wirklich etwas zum Kampf beitragen zu können. Er wandte sich an Lieutenant Christian. „Evakuieren Sie alle Besatzungsmitglieder, die nicht unbedingt gebraucht werden! Schicken Sie sie nach Proxima 2!“
Christian nickte. Stewart sah ihr an, dass sie sich zusammenriss, um nicht in Tränen auszubrechen. Als sie sich abwandte, um den Befehl auszuführen, starrte der Captain ihr einige Augenblicke nach. Telepathisch empfahl er Clark dieselbe Vorgehensweise. Er hatte einen Plan. Doch dieser Plan verlangte Opfer.
Lieutenant Marina Christian beobachtete, wie die Mengen an Crewmen in die Shuttles liefen. Sie selbst würde als letzte einsteigen. Sie biss sich auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Niemand sollte ihr anmerken, wieviel Angst sie hatte.
Die Brücke war anders aufgebaut als die Kommandozentrale der Good Hope. Ganz zu vorderst saßen Steu-ermann und Navigator, nur wenige Schritte vom Sichtfenster entfernt. Die anderen Terminals befanden sich an den Wänden des kleinen Raumes. In der Mitte saß Captain Clark auf dem Kommandosessel. Er zupfte nervös an den Gurten, mit denen er sich am Sessel festgeschnallt hatte, um nicht in der Schwerelosigkeit einfach davon zu treiben. Captain Clark starrte auf den sich nähernden Zerstörer der Heeldar. Immer wieder gab es Explosionen um das feindliche Schiff herum. So gut wie alle waren Einmannjäger, die meisten davon waren von ihnen.
Er rekapitulierte Stewarts Plan in seinem Kopf. Auch er sah keine andere Möglichkeit.
Endlich waren alle Crewmen in den Shuttles. Nun stieg auch Christian hinzu. Hinter ihr schloss sich das Schott. Sie setzte sich auf den Sitz direkt hinter dem Schott. Sie spürte einen Ruck. Sie waren gestartet. Durch ein Rückfenster konnte sie die Station beobachten. Sie versuchte so sehr sie konnte, doch die Angst und die Trauer waren ihr deutlich anzusehen.
Auch von der Roddenberry starteten die Shuttles. Ins-gesamt 13 der kleinen Raumschiffe flogen mit 154 Menschen an Bord auf Proxima 2 zu.
„Das feindliche Schiff ist jetzt in Schussweite, Sir,“ meldete der strategische Offizier.
Stewart seufzte. Über seinen Telepathen gab er Clark das Signal.
Die Roddenberry setzte sich in Bewegung und begann mit Dauerfeuer auf das feindliche Raumschiff. Plötzlich schob sich der Bugschild nach oben und gab die Sicht auf ein Dutzend Torpedokatapulte frei.
„Oh, mein Gott!“ Clark wurde schwindelig. „Volle Energie auf die vorderen Deflektoren!“
Doch da wurden bereits die Torpedos abgefeuert. Es hagelte Photonentorpedos, und nach nur wenigen waren die Schutzschilde der Roddenberry bereits zusammenge-brochen. Nun trafen die Torpedos auf die Außenhaut des Schiffes und rissen es nach nur zwei Minuten auseinander.
Stewart starrte auf das explodierende Schiff. Er presste die Lippen zusammen. Du musst dich zusammenreißen, sagte er sich. Dann wandte er sich seinem Kommunikat-ionsoffizier zu und befahl: „Schicken Sie den Heeldar eine Nachricht: Wir kapitulieren! Sie können gefahrlos andocken.“
Lieutenant Patricks, der Kommunikationsoffizier, nickte, wobei ihm der Schock anzusehen war. Trotzdem befolgte er den Befehl.
Das Schild wurde wieder vor den Bug gelassen und der Zerstörer näherte sich der Raumstation.
Die Good Hope senkte die Schutzschilde und zog die Energie aus den Waffensystemen.
Lieutenant Christian beobachtete durch das Rückfenster, wie der Zerstörer in das Dock der großen Raumstation hineinflog. Eine Weile passierte nichts. Die Raumstation wurde immer kleiner. Und plötzlich gab es eine gigant-ische Detonation. Über die ganze Station verteilt gab es Explosionen, die das große Gebilde am Himmel in ihre Atome zerlegte. Christian ahnte was passiert war. Captain Stewart hatte zum Schein kapituliert und gewartet, bis die Heeldar angedockt waren, um dann den Reaktor zu überlasten. Er hatte die Selbstzerstörung gewählt, um den Feind zu vernichten.
Eine Träne lief Christian über das Gesicht, als sie nach draußen starrte, und der Himmel war voller Sterne.
Wird fortgesetzt ...